Begegnung

Das Blut spritzte gegen die Steinwand. Das Ungetüm brüllte vor Schmerz laut auf, der rote Lebenssaft floss aus einer tiefen Wunde an seinem Hals. Aus dem Brüllen wurde schnell ein immer leiser werdendes Röcheln, bis das Monster schließlich kraftlos zu Boden sank. Es war tot.
Corsa wischte sein Schwert an einem Tuch ab und sah arrogant auf das soeben gestorbene Lebewesen hinab. Es hatte keine Chance gegen ihn, einen schwarzen Magier, gehabt. Er schob sein Schwert zurück in die Scheide und fuhr sich mit der linken Hand durch seine kurzen, blonden Haare.
Auf dem Boden bildete sich bereits eine große Blutlache; es würde nicht mehr lange dauern und die ersten Geier und andere Aasfresser kämen hierher um sich an dem toten Körper des Monsters gütlich zu tun.
Langsam wandte sich Corsa um und ging davon, den Kadaver hinter sich lassend, ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen. Er verspürte keinerlei Mitleid für das Wesen. Immerhin war nicht er es gewesen, der zuerst angegriffen hatte. Hätte das Monster ihn einfach in Ruhe gelassen, würde es jetzt wohl noch am Leben sein, und nicht tot umgeben von Felsen auf dem Boden liegen.
So war das nun mal. Hier, in der Wildnis, überlebten nur die Starken. Und Corsa war stark.
*
Der alte Mann hatte sich gerade gebückt um eine Pflanze, die er soeben auf dem Boden entdeckt hatte, genauer zu betrachten, als er ein ohrenbetäubendes Brüllen vernahm. Aufmerksam geworden richtete er sich auf und blickte um sich.
Er ging in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Da er nicht mehr der Jüngste war, dauerte es einige Zeit, bis er dort ankam, und was er sah, verschlug ihm die Sprache.
Ein Monster lag mit aufgeschlitztem Hals auf dem steinigen Boden. Es war groß, um die drei Meter lang, hatte gefährlich blitzende Fangzähne und einen grün geschuppten Körper. Die Klauen an seinen Pranken waren rötlich, spitz und zu seiner Lebenszeit sicherlich todbringend.
Wer hatte so ein mächtiges Wesen töten können?, fragte sich der alte Mann. So ein Ungetüm brachte niemand ohne weiteres um. Da entdeckte er auf dem Boden Fußspuren. Wer auch immer dieses Wesen ermordet hatte, hatte sich nicht darum geschert, ob er durch die große Blutlache spazierte, oder nicht. Neugierig geworden, wollte der alte Mann den Spuren schon folgen, doch da meldete sich sein Gewissen. Derjenige, der das tote Wesen getötet hatte, war nicht gerade schwach, und vielleicht auch gefährlich.
Dennoch ging der alte Mann den Spuren nach. Er wollte wissen, wer es fertig brachte, ein Wesen wie dieses zu erlegen.
*
Corsa bemerkte, dass er verfolgt wurde. Er konnte nicht sagen, wer es war, oder warum er ihm hinterherlief, aber schon allein die Tatsache, dass er verfolgt wurde reichte aus, um ihn vorsichtig werden zu lassen.
Er versteckte sich hinter einem Felsen und wartete, seine rechte Hand auf dem Knauf seines Schwertes liegend. Angespannt wartete er, lauschte auf jedes noch so leise Geräusch.
Und da hörte er es schon: Schritte.
Mit einer schnellen Bewegung schoss Corsa aus seinem Versteck, zog sein Schwert aus der Scheide, stieß seinen Verfolger zu Boden und hielt ihm drohend seine Waffe an den Hals. Die Gestalt wurde völlig von dem schwarzen Magier überrumpelt und konnte nichts weiter tun, als auf dem Boden zu liegen, das kalte Stück Stahl an seiner Kehle.
Corsa brauchte einige Sekunden bis er registrierte, dass er einen alten, schwächlichen Mann angefallen hatte, und nicht, wie er erwartet hatte, eine für ihn gefährliche Person. Er erhob sich und steckte sein Schwert wieder ein. Ein alter Mann war kein Gegner für ihn. „Warum hast du mich verfolgt?“, fragte er mit fordernder, schneidender Stimme und besah misstrauisch den auf dem Boden liegenden Mann.
Der rappelte sich auf, wischte sich den gröbsten Schmutz von der Kleidung und antwortete ruhig, als wäre nichts gewesen: „Ich habe das Monster gesehen, das du umgebracht hast. So etwas schafft nicht jeder, und ich wollte sehen, wer stark genug ist, um solch ein Wesen zu töten.“
Der alte Mann sah sich Corsa etwas genauer an. Er sah im Grunde völlig normal aus; nichts wies auf seine Stärke hin. An seiner Seite trug er ein Langschwert, seine scheinbar einzige Waffe. Er war nicht sehr groß, aber auch nicht sehr klein, einfach mittelgroß. Der alte Mann schätzte ihn auf circa 18 Jahre. Älter schien er nicht zu sein.
Corsa zuckte mit den Schultern und sagte: „Ah... Wenn es weiter nichts ist. Jetzt weißt du, wer ich bin. Und tschüss.“ Er wandte sich um und wollte schon verschwinden, als der alte Mann ihm hinterherrief: „Halt warte!“
Deutlich genervt blieb Corsa stehen. Ohne sich umzudrehen murmelte er: „Ich habe keine Zeit ein Pläuschen mit dir zu halten, ich muss weiter.“
„Wohin musst du denn?“
Jetzt drehte sich der schwarze Magier doch noch um. Er blickte dem alten Mann in die Augen und sprach leise: „Ich will in den Monai-Wald. Dort gibt es etwas für mich zu erledigen.“
„Dann muss ich dich warnen. Der Monai-Wald ist sehr groß, und garantiert gefährlich. Ich kenne niemanden, der sich weiter als 400 Meter hineingewagt hat. Sei vorsichtig!“
„Ja, das ist mir bewusst.“ Das war das letzte was Corsa sagte, bevor er sich endgültig umdrehte und davonschritt.
Der alte Mann blieb noch lange so stehen und sah dem Unbekannten hinterher. Etwas hatte mit diesem Jungen nicht gestimmt, soviel hatte er gespürt.
Aber was genau dieses Etwas war, konnte er beim besten Willen nicht sagen.

(c) by Karin D.

Wunderbar, schon wieder eine Story fast ohne Handlung! Ich war damals unglaublich stolz auf diese Geschichte, weil mir der Schreibstil so gut gefiel; jetzt wirkt es doch ein wenig veraltet. Corsa war damals mein Lieblingscharakter aus unserer Geschichtensammlung Glagoa-Eoden, von daher wollte ich einfach eine Story schreiben, in der er vorkommt.