Der Abschied

Den Rucksack geschultert, den langen, hölzernen Stab in der Hand, machte der Wanderer sich auf, trat durch die Tür ins Freie und wurde sowohl von der kühlen Abendbrise als auch von seinem Freund empfangen, der, ausgerüstet wie er, ebenfalls für den Fortgang bereit war. Zur stillen Begrüßung wurde, wie üblich, genickt, ein schmales Lächeln schlich sich auf die Lippen des Freundes, das zugleich wehmütig und fröhlich wirkte. Im stummen Einverständnis gingen beide los, Seite an Seite; ihre Schritte waren auf dem gepflasterten Boden kaum zu hören, was zum einen an ihren gut gepolsterten und verarbeiteten Stiefeln lag, zum anderen an ihrem bedachten Gang, den sie sich im Laufe der Jahre angeeignet hatten. Sie durchquerten die recht kleine Stadt – wenn es nicht gar ein Dorf war – und achteten dabei lediglich auf den Weg, der vor ihnen lag, und nicht auf die teils steinernen, teils aus Holz erbauten Häuser um sie herum, die nachts zwar einen Hauch von Mysterium in sich trugen, aber dennoch durchaus einladend wirkten, als würden sie einen nur zu gern aufnehmen und vor Wind und Wetter schützen. Besonders des Wanderers Augen bewegten sich kaum von dem Pfad weg, während der Freund ab und an einen besorgten Blick auf seinen Gefährten warf. Erst als sie die Siedlung hinter sich gelassen hatten, als vor ihnen nichts als Natur lag, als der Wind ungehindert durch Haar und Kleidung wehte, blieb der Wanderer stehen und nach einigen Sekunden wandte er sich um. Gefangen in seinen Gedanken zuckte er bei der Berührung an seinem Arm leicht zusammen, wo der Freund eine Hand platziert hatte, um den Mann zu trösten. „Abschiednehmen fällt schwer“, flüsterte er, in der Hoffnung, es seinem Gefährten in irgendeiner Weise leichter zu machen. „Nie fiel mir etwas schwerer“, lautete des Wanderers Antwort, der nach einem letzten Blick auf das Dorf diesem den Rücken zu wandte und seinen Weg fortsetzte, in Gedanken noch immer bei seiner Geliebten, die dort auf ihn warten würde, und von der er sicher war, sie nie wieder zu sehen.

(c) by Karin D.

Es passiert wenig (im Grunde gar nichts), aber trotzdem gefällt mir die Geschichte, weil ich den (neuen) Schreibstil mag. Außerdem habe ich vor, eine Vorgeschichte und eine Fortsetzung hiervon zu schreiben. Es steckt also deutlich mehr hier hinter, als man sehen kann ;-)